Körperliche Bewegung als Heilmittel – Aber WIE?
Wir hören und lesen es immer wieder, nicht nur von mir oder irgendwelchen alternativmedizinischen Quellen, dass
körperliche Bewegung, Sport und dergleichen mehr für die Erhaltung der Gesundheit ein Schlüsselfaktor ist.
Dann kommt noch die Ernährung dazu, die ebenfalls schaden oder nützen kann, je nachdem was man für gewöhnlich am
liebsten zu sich nimmt. Man geht heute davon aus, dass eine gute, gesunde Ernährung zu rund 80 Prozent zur
Erhaltung der Gesundheit beiträgt.
Die körperliche Betätigung verstärkt oder potenziert vielleicht sogar diesen positiven Effekt. Oder mit anderen
Worten: Eine gesunde Ernährung ohne Sport und Spiel bewirkt möglicherweise noch nicht einmal die veranschlagten 80
Prozent. Es ist einfach unmöglich, die Vorteile einer guten Ernährung zu optimieren, ohne sich körperlich zu
betätigen. Das gilt für die ganz normale, alltägliche Bewegung wie Gehen und sich bewegen und für explizit
sportliche Betätigung.
Gegen den Schweinehund!
Der Weg zum Scheitern ist gepflastert mit guten Vorsätzen. Man hat sich selbst bei jeder Gelegenheit
versprochen, endlich mit dem Trimmen oder Fahrradfahren oder in der Muckibude anzufangen. Aber das war voriges Jahr
oder letzten Silvester. Und seitdem hat man genug Ausreden gefunden, teils unberechtigt, teils nicht berechtigt
(gibt es berechtigte Ausreden?), die das schlechte Gewissen haben verstummen lassen. Das Argument mit der besseren
Gesundheit ist zwar ein kaum zu widerlegendes Argument. Aber dennoch scheuen sich die meisten Zustimmer aus ihrer
Zustimmung zu dieser Erkenntnis eine praktische Konsequenz folgen zu lassen und die Trainingsschuhe anzuziehen. Was
läuft da falsch? Ist eine nachhaltige Gesundheit nicht Argument genug, sich dementsprechend zu betätigen?
Eine neue Studie untersucht den Hintergrund dieses Phänomens: Habitual Exercise Instigation (vs. Execution) Predicts Healthy Adults’ Exercise Frequency.
In dieser Arbeit kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass eine vollkommen andere „Art“ der Herangehensweise an
das Thema „körperliche Betätigung“ zu einem vollkommen günstigeren Ergebnis führt. Denn sie stellten fest, dass
die Menschen, die regelmäßig und konstant trainieren oder sich anderweitig körperlich betätigen, dieses zu einer
Art „Gewohnheit“ haben werden lassen. Und da Gewohnheiten bekanntlich nur schwer abzulegen sind, ist die
„Gewohnheit des Sporttreibens, der Gartenarbeit, des Wanderns etc.“ zu einer Art zweiten Natur geworden. Dazu
gibt es bestimmte Auslöser, die die „Lust“ auf die Gewohnheit in Gang setzen und damit den Betroffenen in den
„Sport-Gang“ schaltet. Für diese Menschen ist Bewegung keine Überlegung oder ein bewusster Entschluss, sondern
vielmehr ein Nachgeben nach einem Bedürfnis. Man könnte fast sagen, dass hier eine psychologische Abhängigkeit
entstanden ist, die einige Wissenschaftler auch deshalb vermuten, da beim Sport Endorphine freigesetzt werden,
die den Betroffenen in eine Art „Hochstimmung“ versetzen.
Dieses Verhalten wird auch „instigation habit“ genannt, was man mit „Initiierungshabitus“ übersetzen kann.
Menschen mit einem solchen Habitus liefern in dieser Beziehung die konstantesten Resultate. Nur schwerwiegende
Ereignisse werden sie vom Trainieren oder Wandern oder der Gartenarbeit abhalten. Für die Wissenschaftler ist klar,
dass die Stärke des Initiierungshabitus der einzig zuverlässige Faktor ist, der eine Vorhersage erlaubt, ob ein
Mensch über einen langen Zeitraum konsequent einer körperlichen Betätigung nachgehen wird.
Gewohnheitsmäßige Tätigkeiten beruhen in der Regel auf Sachen, die immer wieder wiederholt werden. Wenn wir dies
auf körperliche Betätigung beziehen, dann kommt schon bei der Überlegung eine Lawine an Langeweile auf. Denn die
Überlegung, bestimmte Übungen immer und immer wieder durchzuführen, um sie „zur Gewohnheit werden zu lassen“, ist
alles andere als spannend.
Auch die Zusatzüberlegung, dass mit den Übungen viel Gesundheit produziert wird und dass man als Rentner dann
noch gut zu Fuß sein wird, ist keine wirkliche Motivation. Zumindest bei den meisten Leuten funktioniert dies
nicht.
Was tun? Um einen Habitus zu entwickeln, der körperliche Betätigung zur Folge hat, braucht es einen guten
Anlasser. Dieser Weg ist ein kompletter „Umweg“. Statt an die Logik zu appellieren, dass körperliche Betätigung
gesund sei, wird dieser Gedanke für die Zeit danach aufgehoben, wo man in Diskussionen darüber einsteigen kann.
Vielmehr besteht der produktive Weg zur körperlichen Betätigung auf konstanter Basis in der Schaffung eines
Anlassers, eines Triggers.
Um diesen Trigger zu schaffen, ist es nicht notwendig, sofort mit der „gesündesten“ = langweiligsten Turnübung
zu beginnen, auch wenn sie von den Sportwissenschaftlern als die Gesündeste gekürt worden ist. Wichtig ist hier,
dass es nicht langweilt, sondern Spaß macht. Es zählt also nicht, was am gesündesten ist, sondern was einem selbst
die beste Unterhaltung bereitet. Aber auf dem Sofa sitzen und Filme schauen ist auch eine gute Unterhaltung, hat
aber leider nichts mit körperlicher Betätigung zu tun. Damit ist klar, dass Spaß, Unterhaltung und körperliche
Betätigung in dem, was man sich zur Gewohnheit werden lässt, enthalten sein muss.
Die Belohnung macht's
Belohnungen werden immer ausgepriesen. Wer Sachen verkauft, der erklärt immer den Nutzen = die Belohnung, die
der geneigte Käufer davon haben wird.
So werden Abnehm-Diäten fast immer mit der Belohnung „Gewichtsverlust“ verkauft. Wie man dann vorher und nachher
aussehen soll, das wird dann in bunten Bildern veranschaulicht, um das Ganze dem Käufer begrifflich zu machen.
Das Versprechen oder sich Erhoffen von Gesundheit ist eine weitere, aber sehr abstrakte und in die Zukunft
verlagerte Belohnung. Vielmehr scheinen wir mehr auf unmittelbare Belohnungen ausgerichtet zu sein. Eine solche
„Programmierung“ hatte auf jeden Fall enorme Vorteile für unsere frühen Vorfahren gehabt, die von solchen
Verhaltensmustern für das Überleben profitiert haben. Heute brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, was in den
nächsten 24 Stunden passiert oder ob wir von Tigern und Bären gejagt werden.
Daher ist der Wunsch nach sofortiger Belohnung heute nicht „zeitgemäß“, da es keine biologische, ökologische
oder andere Veranlassung dazu gibt. Aber er ist da und kann nicht wegdiskutiert, weggewünscht, weggebetet oder wie
auch immer werden. Statt ihn zu bekämpfen gilt es, ihn zu nutzen, indem man sich und seine Psyche „austrickst“.
Was tun? (schon wieder!)
Antwort: Nachgeben und nach einer sofortigen Belohnung suchen. Wie die aussieht, dafür gibt es keine
wissenschaftlichen Tabellen, in denen man nachschlagen und sich das Passende aussuchen kann. Die Belohnung ist
höchst individuell, genauso wie die Art der körperlichen Betätigung auch.
Nicht jeder mag Gartenarbeit, nicht jeder spielt gerne Fußball oder geht gerne spazieren. Der Belohnung erster
Streich ist eine Betätigung, die einem Spaß macht. Aber das hatten wir bereits. Die Schaffung des Triggers besteht
darin, sich psychologisch so zu konditionieren, dass der gewonnene Spaß oder das gute Gefühl, was bei der
körperlichen Betätigung entsteht, zu einem permanenten Anreiz „mutiert“. Schon alleine der Gedanke an das, was man
da als körperliche Betätigung betreibt, sollte dieses gute Gefühl entstehen lassen. Der Rest ist dann nur noch
Sachen packen und raus beziehungsweise rein in die jeweilige Betätigung.
So entsteht die „Sucht“ nach gesunder Bewegung auf einer permanenten, konstanten Basis. Jeder, der dieses Schema
betreibt, wird eine Art Sekundärbelohung erfahren. Denn körperliche Betätigung erzeugt nicht nur Endorphine,
sondern der Mensch fühlt sich ganz anders, als jemand, der auf solche Betätigung verzichtet. Grund dafür sind eine
Reihe von physiologischen Reaktionen, die das Gefühl signifikant beeinflussen. Durch die körperliche Betätigung
wird das Immunsystem gestärkt. Es ist bekannt, dass durch die körperliche Betätigung Depressionen beziehungsweise
depressive Verstimmungen „wegtrainiert“ werden können. Die Energiebilanz verbessert sich, so dass man sich
energiegeladener fühlt und selten bis keine Ermüdungsgefühle hat. Und so weiter (Regelmäßiges Muskeltraining ist gut für Körper, Geist und Seele).
Hier scheint sich der Spaß zu verdoppeln. Durch einen Sport, der Spaß macht, zu einem guten Gefühl, das auch
noch dann Spaß macht, wenn der Sport vorbei ist. Man sagt dann einfach nur noch: „Man, fühl ich mich gut!“
Die Autoren der oben zitierten Studie bezeichnen dies als ein „Neueinrahmen des Übungserlebnisses“. Die
psychologische Umkonditionierung auf die unmittelbaren Belohnungen von Seiten der ausgeübten körperlichen
Betätigung ist nicht nur der erste Schritt dazu, sondern der einzige Garant, dass die Betätigung nachhaltig und
konstant durchgeführt wird. Denn hier ist die körperliche Betätigung nicht etwas, was ich tun MUSS, um die
Gesundheit zu erhalten oder weil man mir mit den Vorzügen auf die Nerven geht etc., sondern es ist etwas, was mir
Spaß macht und am Ende mir ein gutes Gefühl gibt, jenseits der abstrakten Vorstellung einer guten Gesundheit in 30
Jahren. Wie gesagt: Eine Diskussion um die Gesundheit und den Wert der Übungen dazu ist das i-Tüpfelchen, das die
„Nachfreude“ verlängern hilft.
Paradoxe Hilfe von paradoxen Helfern
Also, wenn Sie den Spaß und die positiven Folgeeffekte Ihrer liebsten körperlichen Betätigung entdeckt haben,
dann sind Sie auf dem besten Wege, dies zu einer Gewohnheit werden zu lassen beziehungsweise es ist schon zur
Gewohnheit geworden. Denn das gute Gefühl möchte jeder so schnell wie möglich erfahren, nicht erst in einigen
Jahren oder Jahrzehnten. Und der Trick hier ist, für sich selbst herauszufinden, wie und welche Form der
körperlichen Betätigung die Belohnung beziehungsweise das gute Gefühl erzeugt und garantiert. Wenn man dann noch
herausfindet, wie die jeweilige Übung Stamina und Energie verbessert, dann erst hat man auch den Schlüssel in der
Hand, anderen helfen zu können. Denn wer sich selbst nicht helfen kann, der kann erst recht nicht anderen helfen,
oder?
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte ich diesen Artikel verfasst: Ärzte – Alkoholiker, medikamentenabhängig und übergewichtig? Es handelt sich hier um ein
extremes Beispiel, das nicht immer verallgemeinerungsfähig ist. Aber es charakterisiert die Situation, in der
die Schulmedizin steckt. Und Übertreibungen helfen oft beim Verdeutlichen.
Wie sieht ein „normaler“ Arztbesuch aus, wenn man als Hypertoniker, Diabetes-Patient etc. seine Aufwartung
macht? Neben dem fleißigen Verschreiben von Chemie kommt oft auch die selbstgefällige Aufforderung, doch mal etwas
mehr Sport zu treiben oder abzunehmen, wenn die Waage zu heftig ausschlägt. Und was macht der Doktor selbst? Der
ist auch nur ein Mensch und denkt an die eigene Gesundheit nur in abstrakten Ideen und Lehrbüchern. Gesundheit ist
berufsbedingt für ihn eine Abwesenheit von Krankheit, die durch sein Wirken erzielt wird und mit Hilfe der
Medikamente, für deren Verschreibung er vom Pharmareferenten zum Abendessen eingeladen wird. Ich habe kaum einen
Arzt gesehen, der regelmäßig Sport macht. Zu oft kommen gerade aus dieser Ecke die noch selbstgefälligeren
Argumente, dass man ganz und gar im Dienste der Patienten steht und keine Zeit für solche Sachen hat.
Wie kann man hier eine effektive Hilfe erwarten, wenn es darum geht, eine gesunde Ernährung durch eine gesunde
Bewegungsbereitschaft zu ergänzen? Der Doktor, der es wissen müsste, müsste es nicht nur wissen, sondern es auch
selber als Beispiel vor praktizieren. Macht er aber nicht – in der Regel. Wie im Artikel oben erwähnt, gibt es wohl
eine Reihe von Medizinern, die sich sofort belohnen, indem sie unter anderem Drogen und dem Alkohol zusprechen.
Wohl gemerkt – nicht alle. Aber leider sagt der Artikel, dass die werte Ärzteschaft im Durchschnitt mehr
Alkoholiker hat als der Bundesdurchschnitt.
Und da die Schulmedizin sich als eine evidenzbasierte Wissenschaft betrachtet, ist sie auch weit davon entfernt,
gewisse „Ungereimtheiten“ als Teil der Realität zu akzeptieren. Denn wer sich für seine Patienten „aufopfert“, der
macht nichts anderes als das, was jeder macht, der sich überarbeitet. Über kurz oder lang wird auch hier die
Gesundheit sich verabschieden, die Energiebilanz wird abfallen und dem Betroffenen bleibt nichts anderes übrig, als
sich mit Substanzen neue Energie zuzuführen. Und das bedeutet den Anfang vom Ende.
Von daher bin ich der festen Überzeugung, dass ein Helfer nur dann ein guter und effektiver Helfer ist, wenn er
sich selbst helfen kann und dies bereits getan hat und weiterhin tut. Ein Arzt, der raucht und seinen Patienten das
Rauchen verbieten will, da es ja so gesundheitsschädlich ist, ist eine traurige Lachnummer. Gleiches gilt auch für
Ärzte, die Sport empfehlen ohne zu wissen, wie man das Wort richtig buchstabiert.
Fazit
Körperliche Betätigung ist ein Segen, wenn man sie dauerhaft betreibt. Wie man sie allerdings dauerhaft
betreibt, das wissen nur die Wenigsten. Die Lösung hat nichts mit schulmedizinischem Wissen zu tun, weshalb die
meisten Ärzte sich als ignorant erweisen, wenn es um die Frage geht, wie man Patienten motivieren kann, mehr Sport
zu treiben oder sich zu bewegen. Stellen Sie Ihrem Arzt einmal diese Frage. Ich wette, dass er dann da sitzt und
sich nicht mehr bewegt…
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